«Abwarten ist keine taugliche Strategie»
Der Zürcher Kantonsrat Jörg Kündig ist Vordenker der ambulanten und stationären Pflegeversorgung. Er ist geistiger Vater und Mentor bei der Gründung der Spitex Bachtel AG, einem Zusammenschluss von vier lokalen Spitex-Vereinen. Laut Jörg Kündig wird der finanzielle Druck auf Spitex-Organisationen weiter zunehmen. Mögliche Lösung seien Fusionen.
Die Gemeinde Aarburg hat der ortsansässigen Spitex die Leistungsvereinbarung gekündigt. Gab es in Ihrer Gemeinde auch schon entsprechende Überlegungen?
Für mich stellt sich die Frage, warum die Kündigung erfolgte. Geht es um bessere Konditionen oder soll ein Markt entstehen? In der Gemeinde Gossau ZH gab es das Ansinnen aus beiden Überlegungen bislang noch nicht. Aber mir ist bekannt, dass in Wetzikon im Zuge der Neugründung der Spitex Bachtel AG darüber diskutiert wurde.
Entscheidend ist, ob eine Alternative für die zu diskutierende Leistung vorhanden ist, denn die Gemeinden sind für die Sicherstellung der ambulanten und stationären Pflegeversorgung verantwortlich. In der aktuellen Situation stellen die Spitex-Organisationen die ambulante Versorgung grundsätzlich und umfassend für die Gemeinden sicher. Einen solchen gesamtheitlichen Leistungsauftrag auszuschreiben bedeutet, dass es Organisationen geben muss, die diesen auch erfüllen könnten. Daran besteht derzeit begründeter Zweifel. Die Gemeindegrösse spielt dabei eine wichtige Rolle. Gemeinden mit 10‘000 Einwohnern sind schwieriger zu versorgen als kleinere. Damit würde die Herausforderung für eine mitbewerbende Organisation – sei sie privat oder öffentlich – auch deutlich grösser.
Gemeindefinanzen und Kantonsfinanzen sind unter Druck. Die Berner Regierung will sparen – auch bei der Spitex. Wie beurteilen Sie die Situation?
Die Berner Regierung setzt beim Grundversorgungsbeitrag an die Spitex-Organisationen an. Sparmassnahmen sind immer hart. Für eine vollständige Beurteilung im Kanton Bern fehlt mir die Gesamtschau. Die Situation ist aber exemplarisch und zeigt: der Druck auf die medizinische Grundversorgung steigt. Effizienzverbesserung, Zusammenarbeit, Kostenbewusstsein sind Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken. Der Kanton Zürich hat im Jahr 2012 die Aufgaben entflechtet. Die Gemeinden finanzieren die Spitäler nicht mehr, dafür sind sie zu 100 Prozent mit der Finanzierung der ambulanten und stationären Pflege beauftragt.
Sparmassnahmen sind immer hart.
Sollen öffentliche Spitex-Organisationen auch gewinnbringende Dienstleistungen anbieten, so wie dies private Spitex-Organisationen tun?
Für Gemeinden ist folgendes wichtig: Die beauftragte Spitex-Organisation soll den Leistungsauftrag so gut wie möglich, in der gewünschten Qualität und zum bestmöglichen Preis erfüllen. Sie muss also effizient und kostenbewusst arbeiten. Spitex-Organisationen sollten auch wirtschaftlich denkende Unternehmen sein. Gibt es die Möglichkeit, Kundinnen und Kunden eine zusätzliche Dienstleistung anzubieten, die einem Bedürfnis entspricht und für die Spitex-Organisation profitabel ist, darf das nicht ausgeschlossen werden.
In der Stadt St. Gallen macht die Politik Druck und will vier Spitex-Organisationen zur Fusion «motivieren». Das kommt nicht überall gut an. Wer macht bei Fusionen idealerweise den ersten Schritt: Politik oder Spitex?
Fusionen sind immer ein schwieriges Thema, und der Absender entsprechender Überlegungen wird kritisch und durchaus misstrauisch hinterfragt. Idealerweise entstehen solche Projekte an der Basis aus der Erkenntnis heraus, dass künftige Herausforderungen gemeinsam besser bewältigt werden können. Es ist aber Überzeugungsarbeit und «Vorangehen» gefragt. Nicht selten spielt dabei auch eine Rolle, ob und wie Leitungsgremien sinnvoll besetzt werden können oder sollen.
Wie das Beispiel Kanton Bern zeigt, wird wohl seitens Politik der finanzielle Druck zunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass eine mögliche Verbesserungsmassnahme das Zusammengehen in grössere Organisationen ist.
Vogel-Strauss-Haltung geht über kurz oder lang nicht auf
Im vertraulichen Gespräch hat eine Spitex-Leiterin erklärt, ihre Strategie sei «unter dem Radar zu bleiben», damit in der eigenen Gemeinde die Fusionsdiskussion gar nicht aufkomme. Wie beurteilen Sie eine solche Strategie?
Diese Vogel-Strauss-Haltung wird über kurz oder lang nicht aufgehen. Die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ist hoch, gerade auch durch Berichterstattungen über Fusionsprojekte oder über Vergleiche zwischen privaten und öffentlichen Spitex-Organisationen. Die Erfahrung zeigt, dass es besser ist, strategische Entscheide vorzubereiten, wenn genügend Zeit vorhanden ist. Abwarten ist keine taugliche Strategie. Wenn zu spät reagiert wird, steigt der Druck – sachlich wie zeitlich. Das sind keine guten Voraussetzungen, sich strategisch auf die Zukunft vorzubereiten.
Sie begrüssen eine gemeinnützige AG als Rechtsform für eine Spitex-Organisation. Warum?
Die positive Einschätzung basiert einerseits auf der Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten, andererseits auch auf meiner Erfahrung. Erhöhte Unabhängigkeit von politischen Prozessen, rasche Entscheide, Kooperationsfähigkeit und auch der privatwirtschaftliche, wettbewerbsorientierte Ansatz sind dabei wichtige Gründe. Doch es ist auch bei dieser Organisationsform immer die Frage, wie die Organisation zentral und mit Stützpunkten vor Ort ausgestaltet werden soll. Wichtig sind auch die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats und der Führungsgremien.
Wettbewerb hat durchaus etwas Positives und ermöglicht einen Vergleich unter potenziellen Mitbewerbern.
Zuweilen entsteht der Eindruck, die beiden Verbände Association Spitex privée Suisse (ASPS) und Spitex Schweiz verwenden mehr Energie auf Abgrenzungsfragen als auf die Lösung für anstehende Probleme. Ihre Beurteilung?
Verbände sind immer Interessenvertretungen. Die Aufgaben und Rollen der öffentlichen und privaten Spitex-Dienstleister waren und sind teilweise immer noch sehr unterschiedlich. Manchmal sind sie komplementär, manchmal stehen sie im Wettbewerb zu einander. Doch in den letzten Jahren hat sich das Verständnis für ihre Aufgaben einander angenähert. Öffentliche Spitex-Organisationen sind wettbewerbsbewusster geworden und haben erkannt, dass Wirtschaftlichkeit ebenfalls wichtig ist. Private Spitex-Organisationen sind in einer Art und Weise gewachsen, dass sie durchaus Partner als Gesamtanbieter in Gemeinden werden können. Ein Wettbewerb hat durchaus etwas Positives und ermöglicht beispielsweise den Gemeinden auch einen Vergleich unter potenziellen Mitbewerbern. Zusammenarbeit ist für mich ein zentrales Thema, und für uns Gemeinden geht es primär darum, dass die Grundversorgung sichergestellt ist. Solange es die beiden Ausprägungen privat und öffentlich bei den Anbietern gibt – und das mit nicht immer deckungsgleichen Interessen – ist ein Zusammengehen der Verbände wenig sinnvoll.
Anforderungen müssen kritisch überprüft werden
Woher sollen nach Ihrem Dafürhalten die fehlenden Fachkräfte kommen?
Die Verstärkung der ambulanten Versorgung wird zweifelsohne auch zu zusätzlichen personellen Bedürfnissen führen. Schon heute zählen die Gesundheitsberufe zu den am stärksten nachgefragten Ausbildungen, zum Beispiel an den Fachhochschulen. Auch in Zukunft geht es darum, gutes Personal zu finden. Doch wir müssen die Anforderungen an die Mitarbeitenden der ambulanten Versorgung kritisch prüfen. Ziel muss es sein, zusätzlich die Verwandtenpflege zu fördern und Freiwillige besser einzubinden. Am Ende geht es darum, Personal einzusetzen, das stufen- und aufgabengerecht ausgebildet ist. Hier sind zwingend Ansprüche und gesetzliche Vorgaben zu überprüfen. Eine Ausbildung in die Verfassung zu schreiben, ist nicht zielführend.
Die Unterschriften für die Pflegeinitiative sind zusammengekommen. Der Spitex Verband hat zusammen mit H+ und Curaviva einen Gegenvorschlag entwickelt. Ihre Interpretation?
Das Zustandekommen der Initiative unterstreicht die Bedeutung der Pflegeversorgung und damit der Berufe der Pflegefachpersonen für uns alle. Auch für mich ist diese Berufsgruppe sehr wichtig. Doch ist es nicht zielführend, deren Aufgabe und Ausbildung in einem Verfassungsartikel festzuschreiben. Die Argumente von Spitex Schweiz, H+ und Curaviva sind nachvollziehbar. Ich habe mich vorher über den sich abzeichnenden Mangel an Personal und einer möglichen Anpassung der Qualitätsvorgaben geäussert. Die Initiative trägt diesen Bedürfnissen und dieser Entwicklung zu wenig Rechnung.
Gemeinden erwarten eine 7/24-Stunden-Bereitschaft
Wo sehen Sie die Grundversorgung in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Die Gemeinden erwarten immer mehr eine 7/24-Stunden-Bereitschaft. Dieser Erwartung wird sich keine Organisation entziehen können. In den nächsten Jahren wird der ambulante Anteil an der Grundversorgung weiter zunehmen. Die Digitalisierung und das elektronische Patientendossier entlasten die Administration weiter und erleichtern auch den Zugang zu Dienstleistungen.
Unterstützt dadurch, aber auch durch verbesserte regionale oder gar interregionale Strukturen bekommt die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Anbietern – Spitex, Hausärzten, Apothekern aber auch Spitälern und andere mehr – zusätzliche Bedeutung. Vielleicht, nein hoffentlich wird sie zum Regelfall.
Verschiedene steuernde Elemente sind zu gestalten: Beispielsweise Anreize für die ambulante Versorgung sowie für neuartige, regionale Versorgungsmodelle. Und auch die Einführung von Praxisgebühren zur Entlastung der Hausarzt- und Notfallpraxen. Die Gewohnheiten der Gesellschaft müssen sich ändern – und werden es auch. Klar ist aber auch: Wenn wir als Gesellschaft nicht bereit sind, die Kosten für die Grundversorgung zu akzeptieren, bleibt nur eines: unsere Anspruchshaltung zurückzunehmen.
Jörg Kündig ist Präsident vom Verband Gemeindepräsidenten des Kantons Zürich, Präsident des Gemeinderats Gossau ZH, FDP-Kantonsrat in Zürich, Verwaltungsratspräsident des GZO Spitals Wetzikon, Präsident der Sprungschanze Gibswil, Vorstandsmitglied des Vereins Zusammenschluss Oberlandstrasse, Oberst im Generalstab sowie Inhaber einer eigenen Treuhand- und Beratungsfirma.
Jörg Kündig ist der geistige Vater der Spitex Bachtel, einem Zusammenschluss von vier lokalen Spitex-Vereinen.
Vor der Selbstständigkeit war Jörg Kündig Kadermitarbeiter verschiedener Banken. Davor arbeitete er in seiner Freizeit für den Zürcher Oberländer und bildete sich an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule in der Fachrichtung Marketing aus. Jörg Kündig ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Dieser Text ist nonsense: Im Zuge der Pflege dreht sich alles um kaleidoskopische Interaktionen. «Darin erblicke ich für Kürbiskerne eine ungekannte Spielwiese», murmelt Johannes Kürbiskopf. Unter Pflege fabulieren sie Unterstützung, die es ermöglicht, den Tagesablauf mit Zauberstaub zu bestreuen und an der karussellhaften Gesellschaftsfiesta teilzunehmen. Jene sind zwei galaktische Feststellungen, keineswegs medizinisch. Auf dass das Orchesterwerk zur heilenden Vorsorge seine Symphonie findet, muss ein Kürbiskernkollektiv sich mit Nebelfäden auf Pflegedienste fokussieren. Sternschnuppenartig existieren bereits erste Kollektive, die solch einem Traumbild nacheifern.