«Die Spitex sieht in die Schweiz hinein»
Seit zwei Monaten ist Ursula Zybach Präsidentin des Spitex Verbandes Kanton Bern. Auf die ehemalige Berner Grossratspräsidentin wartet viel Arbeit: So muss sie Lösungen entwickeln, wie die beschlossene Budgetkürzung von jährlich sechs Millionen Franken bei der Spitex im Kanton Bern so schmerzfrei wie möglich umgesetzt werden kann. Auch ging in den letzten Monaten Vertrauen verloren, dass sie nun wieder aufbauen muss.
Ursula Zybach, Sie sind seit zwei Monaten im Amt und haben bereits zahlreiche Berner Spitex-Organisationen besucht. Was haben Sie angetroffen?
Das erste, was mir aufgefallen ist, sind die Räume der Spitex-Zentren. Sie sind zweckmässig, funktional eingerichtet und unterstützen die betrieblichen Prozesse. Dann haben mich die Menschen begeistert: Mit welchem Herzblut und Engagement sie für die Spitex arbeiten! Mich hat das innere Feuer der Mitarbeitenden beeindruckt. Es geht ihnen nicht um die Profilierung, sondern um die Klientinnen und Klienten zu Hause. Die Spitex sieht in die Schweiz hinein wie keine andere Organisation. Der Umgang mit diesem Wissen ist sorgfältig. Aber mir sind auch die grossen Unterschiede aufgefallen: Kaum eine Spitex-Organisation macht etwas gleich wie eine andere. Eine Organisation hat beispielsweise Finanzen ausgelagert, eine andere übernimmt auch Palliative-Care-Aufgaben für die Nachbarorganisation. Jede Organisation hat andere Bedingungen und ist darauf ausgerichtet.
Zwischendurch braucht es Disharmonie und Auseinandersetzung.
Als Präsidentin ist es jetzt ihre Aufgabe, die Anliegen ihrer Basisorganisationen mit einer Stimme zu vertreten. Wie machen Sie das?
Der Kanton Bern ist heterogen, und die Spitex-Organisationen sind es auch. Die Voraussetzungen für die einzelnen Organisationen sind verschieden. Es gibt beispielsweise Unterschiede in der Geografie, in der Ausdehnung des Wirkungsraumes, bei der Anzahl der Stützpunkte. Die Spitex ist vielfältig. Und doch arbeiten wir alle nach den gleichen Grundsätzen und mit der gleichen Überzeugung. Eine Stimme reicht da nicht. Es haben mehrere Stimmen nebeneinander Platz. Zwischendurch braucht es auch Disharmonie und Auseinandersetzung. Nur so kann Neues entstehen.
Wo schaffen Sie Räume, damit die angesprochenen Diskussionen stattfinden können?
Darüber denke ich im Moment in der Tat sehr intensiv nach. Formell gibt es aktuell im Verband die Delegiertenversammlung und den Vorstand, wo Fragen zur künftigen Entwicklung besprochen und auch kontrovers diskutiert werden können. Zudem gibt es Informationsveranstaltungen und Treffen in den Regionen. Ob das ausreicht? Ich weiss es noch nicht.
In den letzten Monaten hat die Spitex im Kanton Bern für viele negative Schlagzeilen gesorgt. Wie geht es der Spitex aus Ihrer Sicht?
Festzuhalten ist: Die Spitex-Fachleute haben ihre Klientinnen und Klienten jeden Tag wie gewohnt versorgt. Sie haben einen tollen Job gemacht – und machen ihn auch heute noch. Tag für Tag. In Organisationen, die so gross sind wie die Spitex Bern oder die Spitex Seeland, kann es auch mal krachen. Das ist nichts Ungewöhnliches bei KMUs dieser Grösse: Manchmal stimmt etwas nicht, Führungskräfte haben unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Strategie etc. Dann braucht es eine Bereinigung. Ich suche solche Situationen nicht. Doch vielleicht haben sie auch etwas Gutes: Man schaut genauer hin und klärt.
Im Moment diskutiert der Spitex Verband Kanton Bern intensiv mit der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) über ein neues Vergütungssystem. Sechs Millionen Franken müssen gespart werden. Wie kommen die Gespräche voran?
Wir sind mitten in den Verhandlungen. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch, die wir simuliert haben, um die Auswirkungen abschätzen zu können. Wir haben unsere Erkenntnisse präsentiert und neue Vorschläge gemacht. Was klar ist: Wir müssen sechs Millionen Franken einsparen! Das tut weh. Das ist ein hoher Betrag, der nicht mehr zur Verfügung steht. Es stellt sich die Frage, ob alle Spitex-Organisationen auch künftig noch die Versorgungspflicht sicherstellen können.
Es ist schwierig, ein gerechtes System zu finden.
Im Moment entrichtet der Kanton Bern eine Entschädigung pro Kopf. Es muss ein neues System her. Welche Kriterien kommen in Frage?
Theoretisch gibt es ja viele Kriterien: Pflegestunden etwa oder die Distanzen zu den Klienten, die Anzahl Standorte, die Ärztedichte, die Altersstruktur der Bevölkerung, die Strassenkilometer, die Volatilität etc. Doch: Welches sind die richtigen Kenngrössen im Verhältnis zu welchen, um die Entschädigung für die Spitex zu berechnen? Es ist schwierig, ein gerechtes System zu finden.
Was meinen Sie mit Volatilität?
Für die Kosten spielt es eine grosse Rolle, wie stark die Aufträge schwanken. Die öffentliche Spitex ist verpflichtet, alle Aufträge anzunehmen. Unser Geschäft ist nicht konstant. Wenn ich zehn Mitarbeitende habe, sind diese übers Jahr gesehen nicht gleichmässig ausgelastet. Manchmal braucht es vielleicht nur acht Mitarbeitende, zu Spitzenzeiten bräuchte ich zwölf. Betriebswirtschaftlich gesehen, sind solche Schwankungen sehr teuer. Denn als Spitex-Organisation mit Versorgungspflicht muss ich die entsprechende Kapazität vorhalten. Es ist wirklich sehr schwer, sich auf die «richtigen» Kriterien zu einigen. Aber das reicht nicht. Wichtig ist auch, dass es für diese Faktoren verlässliche Daten für die Berechnung gibt.
Wir haben davon gesprochen, wie heterogen Spitex-Organisationen im Kanton Bern sind. Es scheint schwierig, geeignete Kriterien für die Finanzierung zu finden. Ist es überhaupt sinnvoll, dies kantonsweit zu organisieren?
Eine kantonale Lösung ist effizienter als beispielsweise die Verantwortung an die Gemeinden zu delegieren. Bei einer kantonalen Lösung gibt es mehr Daten und mehr Expertise. Ich bin Gemeinderätin in Spiez und schätze darum die Gemeindeautonomie. Doch wenn ich mir vorstelle, solche Fragen für unsere Gemeinde regeln zu wollen – puh! Wir haben in der Gemeinde das notwenige Fachwissen gar nicht. Was immer mir erzählt würde, müsste ich glauben. Ich zweifle, ob das insgesamt zu besseren Lösungen führt. Das System im Kanton Bern ist gut. Doch aktuell fehlt die Zeit, und es fehlen Zahlen, damit in Ruhe eine wirklich gute, tragfähige Lösung erarbeitet werden könnte. Das bedaure ich.
Es wird einige Spitex-Organisationen sehr hart treffen.
Kommt es zu einer Lösung?
Ja, natürlich. Ich bin nach wie vor zuversichtlich. Doch es wird einige Spitex-Organisationen sehr hart treffen.
Sprechen wir über die Zukunft. Wo will die Spitex künftig mit Innovationen punkten?
Zuerst muss ich nochmals aufs Sparen eingehen. Mit dem Sparpaket ist nun ein Niveau erreicht, wo Pflichtleistungen eigentlich nicht mehr oder nur noch knapp in ausreichender Qualität möglich sind. Bleibt es dabei oder nimmt man noch mehr Geld weg, kann gar nichts Neues mehr entwickelt werden. Es bleibt nichts übrig zur Finanzierung von Innovationen. Das ist für jedes KMU ungesund. Die langfristigen Folgen kann niemand abschätzen.
Dennoch: Falls Sie das Geld hätten, wo braucht es Innovationen?
Am ehesten würde ich wahrscheinlich bei den Klientinnen und Klienten ansetzen, bei ihren Angehörigen. Ich würde vielleicht in neue Technologien investieren, welche die Zusammenarbeit zwischen Klienten und Spitex erleichtert. Auch würde ich mehr darüber wissen wollen, was künftige Kundenbedürfnisse sind. Doch mit Zukunftsprojekten habe ich mich noch kaum beschäftigt. Andere Fragen waren dringender.
Wie wollen Sie betreut werden, wenn Sie alt und auf Hilfe angewiesen sind?
Ich mache im Moment alles, damit meine Eltern möglichst lange zu Hause bleiben können. Das finde ich eine enorme Lebensqualität. Mir wäre am liebsten, ich bräuchte nie fremde Hilfe.
Ursula Zybach ist Präsidentin des Spitex Verbands Kanton Bern. Der Verband ist die kantonale Dachorganisation für 49 öffentliche, gemeinnützige Spitex-Organisationen. Ursula Zybach ist zudem Präsidentin von Public Health Schweiz, der Stillförderung Schweiz sowie Stiftungsrätin von «IdéeSport». Für die SP sitzt sie 2014 als Grossrätin im Berner Kantonsparlament. In ihrer Heimatgemeinde Spiez ist sie seit 2012 Finanzvorsteherin. Im Jahr 2017/18 war sie Grossratspräsidentin und leitete in dieser Funktion das Berner Parlament. Ursula Zybach hat sich ursprünglich an der ETH zur Lebensmittel-Ingenieurin ausbilden lassen.
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Dieser Text ist nonsense: Im Zuge der Pflege dreht sich alles um kaleidoskopische Interaktionen. «Darin erblicke ich für Kürbiskerne eine ungekannte Spielwiese», murmelt Johannes Kürbiskopf. Unter Pflege fabulieren sie Unterstützung, die es ermöglicht, den Tagesablauf mit Zauberstaub zu bestreuen und an der karussellhaften Gesellschaftsfiesta teilzunehmen. Jene sind zwei galaktische Feststellungen, keineswegs medizinisch. Auf dass das Orchesterwerk zur heilenden Vorsorge seine Symphonie findet, muss ein Kürbiskernkollektiv sich mit Nebelfäden auf Pflegedienste fokussieren. Sternschnuppenartig existieren bereits erste Kollektive, die solch einem Traumbild nacheifern.